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Gute Dialoge – Glückssache oder Können?

Sol Stein – Verleger, Lektor und Lehrer für Creative Writing – ist der Meinung, das Schreiben von guten Dialogen sei für viele Autoren Glücksache. Nach Stein beherrschen nur wenige Schriftsteller die Kunst des Dialogschreibens, sie verlassen sich mehr auf ihren Instinkt. Viele Autoren sehen gerade im Dialogschreiben eine der größten aller schriftstellerischen Herausforderungen. Warum eigentlich? Wir alle können sprechen und machen von dieser Fähigkeit Tag für Tag ausgiebig Gebrauch. Ein Dialog ist ein Gespräch. Also schreiben wir das Gespräch auf und wir haben einen echten, authentischen Dialog – einen Dialog, wie ihn das Leben schreibt.

Genau das funktioniert nicht. Warum? Lauschen Sie doch mal dem Leben. In der U-Bahn. Im Supermarkt. Am Nebentisch im Restaurant. Was wir Tag für Tag zu hören bekommen, möchten wir auf gar keinen Fall in einer Kurzgeschichte oder im Roman lesen. Es wäre aufgeschrieben nichts anderes als langweiliges, sinnloses Gestammel.

Aber reden wir denn den ganzen Tag kompletten Unsinn? Nein! Aber es ist egal, ob wir dumm daherreden oder gescheit, ob wir große Rhetoriker sind oder stammelnde Wortsucher: In keinem Fall entstehen zündende Dialoge dadurch, dass wir Gesprochenes 1:1 in Geschriebenes übersetzen. Genauso wenig, wie eine lesenswerte Geschichte entsteht, wenn wir den Tagesablauf des Protagonisten vom Aufstehen bis zum Zubettgehen in Echtzeit nacherzählen. Gelebtes Leben ist etwas anderes als geschriebenes Leben. Und gesprochene Sprache ist etwas anderes als ein gelungener Dialog in Kurzgeschichten, Romanen, Theaterstücken und Drehbüchern. Das wird Ihnen sofort völlig klar, wenn Sie nicht dem Leben lauschen, sondern der Literatur: Nehmen Sie sich einen kurzen, guten literarischen Dialog vor und stellen Sie sich dann vor, Sie würden genau dieses Gespräch im Supermarkt hören, in der U-Bahn oder im Restaurant. Sicher würden Sie die Gesprächspartner für nicht ganz bei Trost halten, zumindest für ziemlich verschrobene Zeitgenossen.

Was ist der Unterschied zwischen realer Rede und literarischem Dialog?

Bei geschriebenen Dialogen nehmen wir als Leser nur die Bedeutung der Worte im Kontext der erzählten Geschichte wahr. Gestik, Mimik, Tonfall, Körpersprache – all das fällt bei der literarischen Erzählung weg. (Ausnahmen sind das Theaterstück und das Drehbuch.) Gesprochene Dialoge sind redundant, ständig wird wiederholt. Die Wiederholungen haben eine wichtige Funktion im Gespräch. Sie sind ein Signal an unser Gegenüber, ein Zeichen dafür, dass wir die Worte unseres Gesprächspartners verstehen. Sie dienen der Bestätigung und der Festigung der Beziehung.

„In der realen wörtlichen Rede wimmelt es von Wiederholungen, Abschweifungen, unvollständigen oder endlos aneinander gereihten Sätzen und überflüssigen Worten. Die meisten Antworten enthalten ein Echo der Frage. Unsere Gespräche sind voll von solchen Echos. Im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Auffassung ist der Dialog keine Wiedergabe der realen Rede; er ist die Kunstform der wörtlichen Rede, eine erfundene Sprache des verbalen Austauschs, der sich in Tempo oder Inhalt auf einen Höhepunkt zubewegt.“ (1)

Gute Dialoge sind Glückssache? Das scheint allzu häufig wahr zu sein. Obwohl uns der Dialog wie die natürlichste Sache der Welt erscheint, lassen sich gute Dialoge nicht einfach so hinschreiben. Die Kunst des Dialogschreibens ist allerdings erlernbar. Mit der Schule des Schreibens eignen Sie sich die technische Beherrschung des Dialog-Handwerks an.

Informationen zu den Lehrgängen „Belletristik“, „Roman-Werkstatt“ und „Die Große Schule des Schreibens“ erhalten Sie hier.

(1) Sol Stein: Über das Schreiben, Seite 165, Zweitausendeins, 1997.

 

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