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Kurz und gut: die Short Story

Was charakterisiert eine Kurzgeschichte? Sie ist kurz und sie ist eine Erzählung. Das mag banal klingen, doch im Grunde ist das schon alles. Die Kurzgeschichte ist eine komprimierte Erzählung, die aufgrund ihrer Kürze bestimmten Regeln folgt. Die literarische Gattung wurde als Short Story in der angloamerikanischen Literatur geboren. Als Väter der literarischen Kurzgeschichte gelten u. a. Edgar Allan Poe und Ernest Hemingway.

Kurzgeschichten erschienen zunächst in Zeitschriften und Magazinen. Sie waren für Leser mit knapp bemessenem Zeitbudget bestimmt, geschrieben für den kleinen Lesehunger zwischendurch. In Deutschland gab es Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eine Zeitschrift für Friseure, die nur Kurzgeschichten von „Haarschnittlänge“ enthielt. Erst nach dem zweiten Weltkrieg etablierte sich die Kurzgeschichte als literarisch ernst zu nehmende Gattung in Deutschland. Mit ihrem knappen, lakonischen Sprachstil galt sie als moderne und adäquate Kunstform, in der sich das Grauen des zweiten Weltkrieges literarisch angemessen verarbeiten und ohne Pathos darstellen ließ. Wolfgang Borchert, Heinrich Böll und andere brachten die deutsche Kurzgeschichte zur literarischen Hochform.

Lassen wir einen Meister der deutschen Kurzgeschichte, Heinrich Böll, zu Wort kommen: „Ich glaube, dass sie [die Kurzgeschichte, d. V.] im eigentlichen Sinn des Wortes modern, das heißt gegenwärtig ist, intensiv, straff. Sie duldet nicht die geringste Nachlässigkeit, und sie bleibt für mich die reizvollste Prosaform, weil sie auch am wenigsten schablonisierbar ist. Vielleicht auch, weil mich das Problem 'Zeit' sehr beschäftigt, und eine Kurzgeschichte alle Elemente der Zeit enthält: Ewigkeit, Augenblick, Jahrhundert. Es ist ein ganz verhängnisvoller Irrtum, wenn etwa ein Redakteur zu einem Autor sagt: Schreiben Sie uns doch mal eine Kurzgeschichte. Sie können das doch... Es kann Jahre dauern, ehe ich mit einer Kurzgeschichte zu Rande komme, das heißt, ehe ich sie hinschreiben kann [...].“ (1)

Jeder, der sich professionell mit dem Thema Schreiben befasst, weiß es:
Kurze Texte dauern etwas länger. Das komprimierte Erzählen erfordert einen anderen und präziseren Umgang mit Sprache, eine höhere Verdichtung. Bei der Kurzgeschichte zählt jedes Wort. Sie ist von Anfang an auf den Schluss hin angelegt. Sie verträgt keine lange Einleitung. Dass der Erzähler „in medias res“ gehen möge – also ohne einführende Worte und Umschweife zur Sache kommen soll – fordert schon Horaz in seiner ars poetica von einem guten Erzähler. (Das Gegenteil von „medias res“ wäre der Einstieg „ab ovo“, sozusagen vom Ei an). Für die Kurzgeschichte gilt das ganz besonders. Es gilt schnell vom Start weg und möglichst schnell zum Schluss zu kommen. Der Schluss kann je nach Intention des Autors eine Pointe, eine überraschende Wendung, eine Auflösung bringen. Er darf auch offen bleiben.

(1) Heinrich Böll: zitiert nach Horst Bienek: Werkstattgespräche mit Schriftstellern. München 1968, S. 170

 

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